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100 Jahre Calgary Stampede und Ranch-Holidays in Kanadas Westen
Western Lifestyle total
Erschienen in Pferdemarkt (09/10/2012)
Die Calgary Stampede wurde 1912 von Guy Weadick ins Leben gerufen, um in einer damals sechstägigen Veranstaltung die Tradition des freien Pionier- und Cowboylebens zu pflegen. Als einmalige „Old West Party“ geplant, entstand daraus die heute größte Outdoor Show der Welt mit jährlich bis zu 1,5 Millionen Besuchern. Mit einem Preisgeld von insgesamt zwei Millionen Dollar ist es das höchst dotierte Turnier der Welt. Für deutsche Besucher und speziell Reiter bietet es sich an, die weite Reise nach Calgary noch mit Ranch-Aufenthalten in British Columbia zu kombinieren.
Die Eisengatter öffnen sich und der tonnenschwere Bulle springt wütend bockend aus der Box. Ab jetzt zählt die Zeit im Bull Riding, der Königsdisziplin jeder Rodeoveranstaltung. Die Zuschauermenge in der Hauptarena der Calgary Stampede feuert den Reiter an, der sich mit der rechten Hand an dem um die Bullenbrust geschlungenen Strick festklammert. Wenn er loslässt, löst sich die „Halteleine“ automatisch. Mit dem Rest des Körpers versucht er die Balance zu halten.
Die längsten acht Sekunden der Welt
Nur die besten Rodeo-Reiter schaffen es, sich „die längsten acht Sekunden der Welt“ auf dem Tier zu halten. Aber nicht nur das Bullriding fordert „ganze Männer“ – auch bei den anderen Rodeodisziplinen sind die Herren unter sich: Beim Bareback Riding gilt es, sich auf dem nackten Pferderücken zu halten, während das Saddle Bronc Riding im Westernsattel stattfindet. Bewertet wird der Stil, wobei der Reiter ausbalancierte und rhythmische Beinbewegungen nach vorne und hinten zeigen muss. Je wilder das Pferd bockt und dreht, desto besser können die Reiter ihre Qualität beweisen.
Born to Buck
Daher werden die „Bucking Horses“ in dem 450 Pferde umfassenden „Born to Buck Program“ auf der Stampede Ranch gezogen. Viel „arbeiten“ müssen die Tiere nicht: Sie sind nur etwa 15 Mal pro Jahr im Einsatz – also insgesamt etwa zwei Minuten unter dem Reiter – davon können Reitpferde unter mittelklassigen (Be-)Reitern nur träumen… Auch die Lammfellgurte, die sie um die Hüfte tragen, sind ihnen lediglich lästig, denn fest angezogen werden sie nicht.
Fang das Rind!
Weitere Disziplinen sind das Steer Wrestling und das Tie Down Roping. Beim Steer Wrestling lässt sich der Reiter im vollen Galopp von seinem Pferd auf den Jungbullen gleiten und muss ihn vollends zu Boden bringen: Der Sieger schafft es in 3,4 Sekunden.
Im Tie Down Roping fängt der Reiter das Kalb mit einem Lasso (dem “Rope”) am Kopf ein, schlingt es um das Sattelhorn und springt ab, um das Kalb zu fassen, auf den Boden zu werfen und an den Füßen zu fesseln – Topzeit 7,7 Sekunden. Aufgabe des Pferdes ist es, das Lasso zwischen Kalb und Sattelhorn auf Spannung zu halten.
Schnelligkeit und Mut im Barrel Race
Das Barrel Race ist mutigen Frauen vorbehalten, die den grob 30 x 30 Meter langen Dreieckskurs rasend schnell überwinden. Erfolgsrezept sind engste Wendungen, wobei das Umwerfen einer Tonne fünf Strafsekunden kostet. Bei Spitzenzeiten von 16 bis 18 Sekunden (Siegerzeit 17,7 Sekunden) kann man sich das nicht leisten.
Donnernde Hufe: Chuckwagon Race
Die Hauptattraktion der Abendshow nach obligatorischem Nationalhymnen-Chor und einer perfekt präsentierten Quadrille der 32 rotbefrackten Canadian Royal Mounted Police Reiter ist das Chuckwagon Race. Dabei treten in neun Rennen jeweils vier den alten Küchenwagen nachempfundene Vierspänner mit Vollblütern und einem Fahrer, der von zwei „Outridern“ unterstützt wird, gegeneinander an. Am Finaltag wurde das Chuckwagon Race nach stundenlangem Regen zu einer Schlammschlacht mit tiefem Boden, auf dem die Pferde mehr um das Starttonne schlitterten als liefen. Dennoch schaffte es der glückliche Sieger schlammüberströmt in 1:18,40 Sekunden ins Ziel zu rasen.
Bunte Unterhaltung und Information
Neben den Wettbewerben lockt die Calgary Stampede, die in Kanada sportlich betrachtet etwa den Stellenwert der Fußballeuropameisterschaft hat, mit einem bunten Rahmenprogramm, zu dem ein Kirmes-ähnlicher Unterhaltungspark und ein „First Nations Village“ gehören, in dem kanadische Ureinwohner ihre Tänze zeigen. Auf Zuchtschauen glänzen frisch geföhnte Bullen, in australischen Reiterspielen werden Luftballons von Pfählen gestochen und „Gipsy Cobs“ – bei uns besser bekannt als Tinker – beweisen sich eindrucksvoll unter dem Sattel. Eine Landwirtschaftsschau präsentiert diverse Pferderassen, Rinder, Ziegen, Schafe und Schweine und in einer langen Gasse mit unterschiedlichen Informationsständen den Produktionsweg vom flauschigen Kalb bis zur Theke mit fertig geschnittenen Porterhouse- und T-Bone-Steaks – wenn man dann noch Appetit darauf hat...
Natur pur in Kanadas Westen
Szenenwechsel: Wir stehen auf einem Hügel oberhalb des Thompson Rivers bei Ashcroft und genießen die samtige Abendluft nach einem 39 Grad heißen Tag. Die Pferde, stämmige und trittsichere Quarter Horses der Sundance Guest Ranch, dampfen und freuen sich nach dem steilen Bergaufgalopp über steiniges Geröll auf ihre wohlverdiente Verschnaufpause. Der Blick ins Tal ist grandios – kilometerweit nichts als Natur.
Sundance Guest Ranch: Spaß für die ganze Familie
Die Sundance Guest Ranch ist ein bequemes Hotel mit 115 Gastpferden. Die Ausritte in Gruppen bis zu zehn Personen werden tempomäßig auf Anfänger und fortgeschrittene Reiter abgestimmt, die Pferde aller Rassen sind friedlich und extrem trittsicher. Hervorragend ist das Familienprogramm mit Ponyreiten und Kinderbetreuung, so dass die Eltern unbesorgt ausreiten können. Nach dem Ritt lockt ein Sprung in den kühlen Pool, abends ein leckeres Buffet oder Dreigänge-Menu.
Rustikaler Charme unter deutscher Leitung: Crystal Waters Ranch
Etwas rustikaler geht es auf der Crystal Waters Ranch in Bridge Lake zu: Hier wohnt man direkt am See in Holz-Cabins im Pionierstil, duscht im zentralen Waschhaus – oder springt gleich ins kühle Nass. Die deutsche Nicole Gütler, seit vier Jahren Betreiberin der Crystal Waters Ranch, führt uns auf zwei langen Ausritten durch völlig unterschiedliche Geländeformationen: Einmal durch den undurchdringlichen kanadischen Urwald, dessen Wege regelmäßig frei geschnitten werden müssen, weil sonst kein Durchkommen wäre. Wieder einmal geht es steil bergauf zu einem kleinen Plateau mit traumhaftem Blick ins Tal, wo wir uns zum ausführlichen Picknick niederlassen. Der zweite Trail geht durch die „Wetlands“, eine Sumpflandschaft mit Biberbauten in kleinen Seen und blühenden Wiesen.
Wer hier ein gut gezogenes Quarter Horse kaufen will, mit extrem kräftigem Fundament und klarem Kopf, kann sich nebenan an Gary Cleveland wenden, den Eigentümer von Crystal Waters Quarter Horses. Er zieht jedes Jahr rund ein Dutzend Fohlen aus den bewährten Cowhorse Linien King und Hancock, die unter schwierigsten Gelände- und Klimabedingungen nur im Freien aufwachsen. Angesichts der kanadischen Preise sind die Transportkosten kein Problem.
The Real Experience: Terra Nostra
„Du kommst als Gast und gehst als Freund“ ist gelebtes Programm auf der Terra Nostra Ranch. Der 56jährige Lorne Reicher, ehemaliger IT-Manager und seit sechs Jahren Selfmade-Cowboy, betreibt seine Ranch aus Passion. Der Ort ist ideal gewählt: Kleena Kleen in den Chilcotin Mountains, ein luxuriöses Blockhaus mit Blick auf Pferdeweiden und See, schneebedeckte Berge zum Greifen nah.
Lornes Motto: „Let’s have fun, be a real cowboy“! Und genau das erleben wir in Reinkultur: „Cowboy Breakfast“ mit Kartoffeln und Eiern, rasante Ritte bergauf und bergab zum Fischadlernest mit Küken und zum „Beaver Dam“, einer Strecke, die nach Lornes Aussage nur 20 erfahrene Reiter pro Saison machen, weil es sagenhaft steil bergab geht. Wer Spaß daran hat, kann auch mit den Pferden im warmen See schwimmen gehen. Abends Lagerfeuer, saftige Spareribs, Baked Potatos und Line Dance zu Country Musik – alles zusammen wirklich eine „real experience“, die noch lange nachwirkt.
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