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Die Wollkur
Warum Keramik wärmt, Schurwolle häufig die erste Wahl ist und welche Vorteile Softshell bietet
Erschienen in Bayerns Pferde (10/2012)
Neudeutsch heißt das ja jetzt Outdoor. Die meisten Paddock- und Weidedecken bestehen aus reißfestem Polyestergewebe mit warmer Wattierung und Fleece- oder Nylonfutter, letzteres vor allem, um Scheuerstellen an der Brust zu vermeiden. Sie sind atmungsaktiv und wasserdicht und je nach Hersteller mit unterschiedlich praktischen Verschlusssystemen ausgestattet. Betrachtet man den Markt etwas genauer, finden sich jedoch Varianten, die sich für den täglichen Gebrauch und teilweise sogar für den quasi-therapeutischen Einsatz eignen.
Keramik gegen Muskelverspannungen
Sie hält in der Tasse nicht nur den Frühstückstee warm. Die wärmespeichernde und reflektierende Eigenschaft von Keramik jedoch wird auch in Textilien genutzt und ist bei Kleidung bereits erfolgreich im Einsatz. Erster und daher bekanntester europäischer Hersteller, der diese Funktionstextilien auch für Pferde anbietet (sei es in Form von Decken oder auch Gamaschen) ist die schwedische Firma Back on Track, deren Unternehmensgründer und Geschäftsführer Erland Beselin 1999 nach China reiste, von dort das keramische Material mit nach Europa brachte und zuerst in Jacken, Hosen und Socken verarbeitete.
Das Geheimnis der Keramik-Textilien ist ihre Wärmereflexion: Winzige Keramikpartikel, die bei 1600° C in Polyester- oder Polypropylenfasern eingeschmolzen werden, erwärmen sich beim Tragen am Körper und reflektieren die Wärme im Bereich der Langwellen-Infrarotstrahlung in das Körpergewebe. Die reflektierte Wärme sorgt für vermehrte Durchblutung und kann somit Muskelverspannungen verringern (siehe auch Kasten S. XX). Durch die erhöhte Blutzirkulation können auch Heilungsprozesse beschleunigt werden, so das Unternehmen.
Die positive Wärmewirkung der Keramik-Textilien wird von Fachleuten bestätigt. So berichtet etwa Dr. Sabine Sachs, Tierärztin und Osteopathin im hessischen Königstein am Taunus: „Ich habe in vielen Fällen festgestellt, dass vor allem Pferde mit hohem Muskeltonus und festem Rücken plötzlich viel lockerer waren. Auf meine Frage, was die Besitzer geändert hätten, erzählten sie mir von der neuen Decke. Durch die bessere Durchblutung verkürzt sich die Lösephase vor allem im Winter von teilweise einer Dreiviertelstunde auf die üblichen 20 Minuten“, so die Tierärztin.
Trotz ihrer stark wärmenden Funktion sind die Materialien atmungsaktiv. Das Waschen bei 30° C ist mit normalem Waschmittel unproblematisch. Die Decken sollten nicht geschleudert und zum Trocknen aufgehängt werden. Um Pferde langsam an den Wärmeeffekt zu gewöhnen, sollte die Anwendungszeit schrittweise verlängert werden. Dabei benötigt man wenigstens eine Stunde, damit sich die Keramik gut aufheizen kann. Beim ersten Einsatz sollte die Decke maximal drei bis vier Stunden am Körper bleiben und abgewartet werden, wie das Pferd reagiert. Später kann man sie auch länger einsetzen.
Abschwitz- und Netzdecken
Die Erfolgsgeschichte des „Back on Back on Track“-Sortiments mit Welltex-Material mit Keramikanteil begann 2002, seitdem erfreuen sich die Produkte zunehmender Beliebtheit, beflügelt durch prominente Nutzer wie die Goldmedaillen-Gewinner in der Vielseitigkeit Ingrid Klimke und Michael Jung, die auf der Firmen-Homepage dafür werben.
Das Funktionsprinzip findet sich in Abschwitz- und Netzdecken, die als Unterdecke getragen werden können, über Regendecken bis hin zur warmen Stalldecke mit 330 g Füllung. Sie kann bei leichtem Nieselregen auch draußen getragen werden, weil sie nur wasserabweisend und nicht komplett dicht ist.
Die Firma Fedimax, Pferdedeckenprofi aus dem bayerischen Igensdorf bietet ebenfalls Keramik-Textilien unter der Bezeichnung fedimax Ceramic Energy an. Hier ist das Keramikmaterial in rasterförmig angeordneten Mineraloxid-Kügelchen in Cool-Dry-Polyesterfasern eingeschmolzen. Durch das punktuelle Anliegen der halbrunden „Ceramic-Balls“ am Pferdekörper kann laut Hersteller die „lokale Luftzirkulation begünstigt werden“.
Die Fleecedecke eignet sich zum Aufwärmen vor dem Reiten und zum Transport sowie für die anschließende Abschwitzphase. Außerdem bietet Fedimax auch wasserdichte Regen- und warme Outdoor-Decken, in herkömmliche Decken einklettbare Rückenwärmer sowie Nierendecken.
Federleicht, atmungsaktiv und elastisch
Ein für Pferdedecken neues Material hat in diesem Sommer die Firma Loesdau auf den Markt gebracht: Softshell. Dieser aus der Sportbekleidung vor allem für Jogger und Bergsteiger bekannte und durch seinen Tragekomfort bewährte Stoff zeichnet sich durch besondere Leichtigkeit aus, wodurch speziell die sonst schwere Pferdedecke auch für den Menschen sehr benutzerfreundlich ist: Man kann sie quasi federleicht auflegen. Da der Stoff zwar wind-, aber nicht absolut wasserdicht ist, eignet sich die Pferdedecke überwiegend für gemäßigte Temperaturen ohne starke Niederschläge.
Durch die Längs- und Querelastizität bietet die Decke auch beim Toben große Bewegungsfreiheit, die durch große Gehfalten noch erweitert wird. Das atmungsaktive Material ist zudem relativ glatt und damit schmutzabweisend – gerade bei Pferdedecken eine willkommene Eigenschaft. Die Decke ist mit einem Netzinnenfutter ausgestattet und problemlos bei 30° C waschbar.
Traditionell und modern: Schurwolle
Angesichts der vielen modernen Funktionsstoffe mutet die Idee, Pferdedecken aus gestrickter Schurwolle zu fertigen, etwas altbacken an. Man muss allerdings nicht allzu lange nachdenken, um sich die Vorteile dieses traditionellen Materials ins Gedächtnis zu rufen: Warm und doch atmungsaktiv, angenehm am Körper, wenn einmal feucht geworden, relativ schnell trocknend.
Diese Materialeigenschaften nutzte die Hirschhagener Textilproduktentwicklungsgesellschaft in Hessisch Lichtenau im Jahr 1993 und ließ ihre gestrickten Pferdedecken unter dem Namen „Schobers Pferdepullover“ patentieren. Die Garnmischung der Pferdedecken besteht zur Hälfte aus reiner, natürlicher Schurwolle und Dralon-Fasern. Damit und durch die beim Stricken eingesetzte Kombination zweier unterschiedlicher Bindungsarten entsteht ein kapillares System innerhalb der Deckenstruktur. Darüber wird die Feuchtigkeit effizient aufgenommen und zügig an die Oberfläche weitergeleitet, wo sie über die relativ raue Struktur des Gestricks optimal verdunstet. Es entsteht keine Stauhitze und auch keine elektrostatische Aufladung.
2005 übernahm Carsten Buckenthal das Produkt und bietet die Decken unter dem Namen „Buckenthal’s Horse Blankets“ seitdem mit zunehmend großer Variationsbandbreite an. Als „Pullover“ über den Pferdekopf zu ziehen eignen sie sich gut als Unterdecke, mit den üblichen Frontclipverschlüssen eher als Abschwitzdecke, mit der man auch Abreiten kann. Eine Kreuzbegurtung benötigen sie nicht, weil sie sich dem Pferdekörper anpassen und nicht rutschen. Bedenken vor aufwändigem Waschen sind unnötig: Die Pferdedecken aus Schurwollmischung sollten im ersten Waschgang nach Eiweiß-haltigem Schweiß- oder Urinkontakt zunächst mit maximal 30° C und Wollwaschmittel (ohne Weichspüler) gewaschen werden, anschließend sind auch 60° C möglich Um den natürlichen Fettgehalt der Schurwolle zu erhalten, empfiehlt Buckenthal bei der 60 Grad-Wäsche Waschmittel mit Lanolinzusatz oder eine Lanolin-Wollkur.
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